In den letzten Tagen habe ich meine Freundinnen auf Facebook und LinkedIn beobachtet wie sie scoren und erwische mich dabei, wie ich mich mit ihnen messe. Wer hat mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen? Wem will es nicht so recht gelingen? Wer hat sich im Ton vergriffen? Und was geben wir von uns preis? Ist mein Blog eine Ware? Fehlen mir noch immer die Follower? Was will mir der Mensch sagen, dessen Neujahrsgrüße die Aussagen enthält: „Startrampe ist gebaut, die letzten Prozent der Markenpositionierung sind geklärt, neue Zielgruppen sind erschlossen, starker Umsatz vom letzten Jahr überholt“? Wie soll mein Rückblick aussehen und was möchte ich damit bezwecken? Ich möchte meine Eltern beeindrucken und meinen Kindern ein gutes Vorbild sein, Marktanteile erzielen, zum Ausdruck bringen wie ich zwischen Ehrenamt und Auftrag auch noch kulturell auf dem Laufenden bleibe, für mich zu sorgen weiß, mich mit Sport und Gymnastik physisch in Form halte und wie ich mich konsequent seit einigen Jahren coachen und was ich mich das kosten lasse. Ich meditiere und trainiere. Meine Gedanken sind rein und ich räsoniere.
Meinen Ausblick auf das nächste Jahr will ich teilen, nachdem ich all eure Beiträge studiert und eure Rundschreiben gelesen habe. Den geeigneten Marktplatz dafür habe ich jedoch noch nicht gefunden, denn mein Arbeitgeber für den ich in Teilzeit tätig bin, bietet mir zwar eine digitale und medial nutzbare Plattform, aber nur, um mich innerhalb des eigenen Unternehmens zu äußern, was darüber hinausgeht liegt in der Hand der Unternehmenskommunikation. Ob ich einen Blog unterhalte oder mich bei LinkedIn und Facebook äußere, bei Twitter und Instagramm meine mitmischen zu müssen, Rundbriefe schreibe und per Email verschicke, Postkarten kreiere und in frankierte Umschläge stecke, bleibt mir selbst überlassen, ist das nicht beruhigend und aufregend zugleich, irritierend und inspirierend, weil ich damit kein Geld verdienen muss, sondern einfach so drauf los schreiben darf und alles auch ohne von irgendwem Korrektur gelesen zu werden, publizieren darf, weil ich seit Jahren für die Domäne bezahle, auch wenn ich nicht wirklich etwas damit erreiche, außer meine Freizeit mit dem Formulieren, Strukturieren, Fabulieren und Frisieren von Texten zu verbringen?
Wie schön kann es sein, wenn man nicht angewiesen ist auf soziale Netzwerke und die professionellen nur den Sinn erfüllen bzw. einem die Möglichkeit gewähren, verfolgen zu können, was sich am Markt so tut, wer nach Feedback fragt, für wen man sich als „Follower“ registrieren möchte, auf dass der Algorythmus sich noch besser den individuellen Bedürfnissen und Interessen anpassen kann.

Wie kann Wertschätzung so erfolgen, dass der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht? Wie verhält sich das Wertschätzen zum Leistungsentgelt? Ab wann können Worte und Gesten die konkrete Zahlung nicht mehr ersetzen? Zuwendung, Aufmerksamkeit, Streicheleinheiten können Wohl tun und ohne diese geht es einem definitiv schlechter als wenn sie üppig und bis zur ultimativen Lobhudelei großzügig über einen ausgeschüttet werden. Ich gebe offen zu, dass auch mein Selbstwertgefühl wächst, wenn meine Posts und öffentlichen Beiträge besser scoren und Aufmerksamkeit erregen. Auch ich werde gerne geliebt und möchte es auch erfahren.
Mit Tüchtigkeit alleine ist es nicht getan, der Markt stellt andere Anforderungen. In den Kreisen, in denen ich unterwegs bin sind es liebevolle Äußerungen, Mitgefühl, persönliches Leid und Krankheit, die Aufmerksamkeit hervorrufen und Zuwendung erfahren. Positive Reaktionen und Zustimmung werden durch Leistung, Heldentaten, Rettungsaktionen, erhöhte Bereitschaft und milde Gaben hervorgerufen. Katzenvideos, das weiß ich aus frühen Zeiten und aus wissenschaftlichen Arbeiten, erzielen in sozialen Netzwerken die höchste Aufmerksamkeit, und ich bin froh, dass mich der Algorythmus inzwischen aus diesen Sendereihen, Freundschaften und Kanälen entlassen hat. In Hate-Speach Campagnen bin ich bislang noch nicht zurechtgekommen, wahrscheinlich auch deswegen, weil ich mich zu indifferent äußere, nicht ausreichend provoziere, zu unkonkret bleibe, meine Meinung nicht unbedingt in aller Deutlichkeit verkünde, sondern mit Fragen irritiere, problematisiere, differenziere, offen lasse wo andere Schlüsse erwarten, Unruhe stifte, wo Sicherheit gewünscht wird. Oder einfach nicht gut genug bin für das, worauf ich mich einlasse.

Gerne hätte ich mich mit den Besten gemessen, wenn ich selbst besser gewesen wäre. Mit T.C. Boyles, Becket, Bossong und Biller konnte ich aber leider nicht mithalten, ob es mir nun in die Wiege gelegt gewesen sein sollte und ich nicht danach gegriffen habe oder mein Ehrgeiz nicht rechtzeitig in der Erziehung durch meine Eltern gefördert wurde, lässt sich definitiv nachträglich nicht eindeutig sagen. Ich kann nicht malen und nicht dichten, keine Strophen auswenig aufsagen, nicht rezitieren und nichts erzählen wie Wolfgang Herrndorf, Angelika Schrobsdorff oder Deniz Ohde. Die Kunst hat mich nicht geküsst und rutschte, weniger Zufall als Konsequenz, in den Kontext, den wir als Freizeit, im Kontrast zur Arbeit, zu bezeichnen uns angewöhnt haben, und insofern, keiner wirtschaftlichen Nutzung unterzogen, auch nicht nach den marktüblichen Konventionen bewertet, sich frei entfalten durfte und konkurrenzlos vor sich hin pulsierte. Ob nun zur Freude bestimmt, dadaistisch, selbstgenügsam oder mit dem Anspruch andere unterhaltend, lehrend, noch mit der Schreibmaschine geschrieben oder schon diktiert, war nicht immer so klar zu sagen. Lustvoll und leidenschaftlich war sie, bisweilen sogar getrieben von Zielerreichung und Regelmäßgkeit, einmal im Monat sollte ein Blogbeitrag verfasst sein, und damit einen Anspruch erfüllend, der so rein gar nicht mit der Motivation, frei und rein zu sein, sich im Einklang befand.

Doch was willst du machen, wenn dir die ersten Schritte nicht gelingen, die Lehrer dir gute Zeugnisse versagen, dir auf den Wegen keine Heldinnen begegnen, die dich an die Hand nehmen wollen und deine wenigen Talente gerade mal ausreichen, um den Acker zu bereiten für eine kleine Familie, einen Schrebergarten und einen Stellplatz vor dem Haus? Du korrigierst deine Einstellungen, die Blende und die Zeiten, die Belichtung und deine Ambitionen. Die Bereitschaft zur Bescheidenheit und deine Dankbarkeit lässt du wachsen, die Faszination an Formulierungen, wie sie dir selbst nie gelingen, lässt dich eintauchen in die Lektüre, die Theorie und Praxis, von Politik über Psychologie, Pädagogie und Philosophie, pragmatisch und rational. Im Spiegelbild erscheinst du dir durchaus erwachsen. Aber wo bleibt das Gefühl? Wo ist die Liebe? Was spricht aus deinem Spiegelbild? Mit welchen Einsichten verabschieden wir uns aus dem vergangenen Jahr und tauchen hinein in ein neues, mit welchen Vorsätzen zum Jahreswechsel, mal abgesehen von Fastenzeit und der Gesundheit gewidmeten Nachjustierungen im routinierten Übergang der Jahreszeiten. Wieviel Selbstbezogenheit wollen wir uns zugestehen?
Wem es wie mir so erfolgreich gelungen ist vom nichtakademischen kleinbürgerlichen Dasein zum akademischen Mittelsstand emporzuklettern, der muss sich nicht unbedingt darauf gefasst machen gefragt zu werden, wie er das denn wohl geschafft hat. Weder hochbegabt noch besonders sensibel, weder einer benachteiligten Gruppe angehörend noch offensichtlich diskriminiert, werde ich selten um Rat gefragt und zeichne mich in der Regel auch nicht in besonderer Weise dadurch aus, dass ich Ratschläge erteile. In verschiedenen Rollen dürfte wohl auch ich schon als Berater unterwegs gewesen sein, zum Beruf habe ich es aber nicht machen sollen. In Freundschaft verbunden bin ich durchaus mit einigen Vertreter*innen dieser Gattung von Mensch, die es sich zur Passion haben werden lassen andere zu beraten. Sie können sich kaum beherrschen und stellen fortdauernd Fragen, ganz der Rolle ergeben, sie präsentieren gerne ihre Erfolge und berichten von Konferenzen und Workshops, Retreats und Sessions, klären den Auftrag, und stehen dir mit Rat zur Seite – auch wenn das nicht unbedingt die beste Schule ist – aber wenn ich mich so in LinkedIn umschaue, dann hätte ich schon einige Beispiele zu nennen, von Persönlichkeiten mit Bekanntheitsgrad und gehörigem Umsatz, deren Nachfrage, glaube ich der Eigendarstellung, mehr als auskömmlich sein muss, denn der Markt schreit nach Kreativität und Innovation, selbstverständlich unter Berücksichtigung aller erdenklichen Dimensionen von Nachhaltigkeit. Glücklicherweise muß ich mich nicht messen mit diesen Größen, denn ich habe mich frühzeitig gewagt ihren Kreisen zu entziehen, gelernt meine persönlichen Erfolgserwartungen zurückzuschrauben, mein Dienstverhältnis zu akzeptieren und mir meine Freiheit in gewisser Weise dadurch erhalten, dass ich mich der Konkurrenz entzogen habe, mich aus der Arena unbemerkt entfernen konnte und selbst keinen Gefallen habe finden können, mich der auf den Rängen jubelnden Massen anzuschließen. Fehler fallen weniger ins Gewicht, wenn sie gar nicht wahrgenommen werden, weil du selbst, ich bin es, gar nicht gesehen wirst. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, sich besser mal nicht äußern im Netzwerk oder der Teambesprechung, um nicht gesehen zu werden, weniger aufgefallen zu sein, eine gewagte These kann nämlich schnell verletzend wirken, als Mansplaning verstanden und als mangelnde Wokeness ausgelegt werden – und davon haben wir schließlich alle nichts, es sei denn es passt ins Konzept der Kommunikationsstrategie und der Aufmerksamkeitsindustrie. Da tue ich doch lieber Nichts!

Und doch bleibe ich aufgeschlossen, der Veränderung gegenüber, denn an uns soll es nicht liegen, dass die Zukunft keinen Platz findet inmitten aller Unvollkommenheiten, die wir uns zur Aufgabe gemacht haben, um als Teil der Lösung und nicht als Problem in die gemeinsam geschriebene Geschichte einzugehen. Ganz offensichtlich lassen wir uns durch Werte leiten, manche legen sich sogar eine Leitkultur zurecht, um die Orientierung nicht zu verlieren, und wo die 10 Gebote doch schon alles gesagt haben sollten, da stapeln sich Paragraphen auf, um unser so komplexes Zusammenleben zu ordnen, wieviel wir davon mehr unbewußt bereit sind zu übernehmen und wie groß unser eigener Anteil an der Ausformulierung des Regelwerks, des Schreibens von Verordnungen, der Standardisierung und Übersetzung von Codes in Conducts auch sein mag, nie wird es genügen. Die Anfordernisse steigen und damit die Bedeutung von Leitplanken, Hinweisschildern, Orientierungspunkten, Messstationen, Rechenzentren, deren Wichtigkeit gar nicht überbewertet werden kann, denn darauf basieren unser Wohlstand, unsere Infrastruktur, das Kollektiv, die Commons mit allem was uns Wärme und Wohlgefühl verspricht, auf Rädern und angetrieben durch Strom, verkabelt, verknüpft, vernetzt. Da gehe ich doch besser in die Sauna. Wellness am Nachmittag. Wohlfühlen an einem verregneten Donnerstag inmitten von Nackedeis, die es sich gleichermaßen leisten können mit einem frisch aufgegossenen Kräutertee und Vogelgezwitscher aus der Lautsprecherbox die Seele baumeln lassen und den Bauch zu lüften.
Das ganze Ausmaß unseres Seins kommt zum Ausdruck in den Widersprüchen, die wir auszuhalten haben. Sich gut fühlen, mit einem Buch in der Hand, einem Blick aus der Wärme hinaus in die trübe Weite, die Ausgaben werden auf einem Chip registriert und die Rechnung einem beim Auschecken präsentiert. Self-Care ist nicht einfach so und kostenlos zu haben. Jedem Wohlsein ist ein Preis angeheftet. Schön, wenn du auch zu denjenigen gehörst, die sich Körperkultur, Massage, Relaxation, Ruhezeiten, Winterschlafe, Auszeit und Träumereien leisten können. Eigenliebe wird dir ein Begriff sein und gemeinsam stehen wir auf für eine bessere Bezahlung der Carearbeit. Damit auch andere etwas von der Eigenliebe haben. Das Leben wird dadurch zwar teuerer, aber dafür leben wir länger. Es werden sich schon irgendwo die Leute finden, die sich um uns kümmern und die Pflegearbeit übernehmen. Dankbar dürften letztendlich auch die sein, die die Arbeit machen können, weil sie dadurch Wertschätzung erfahren und ein Einkommen bekommen – also nicht von Sozialhilfe oder Bürgergeld zu leben hätten oder, was noch betrüblicher zu erleben ist, Lebensmittelbons ausgehändigt zu bekommen und zum Reihenstehen verpflichtet zu werden.

Dem lieben Gott oder wer auch immer dafür verantwortlich sein mag, die Eltern, die Freunde, die Schutzengel, der Mäzen, die Patentante, das Regime, die Leitkultur, der Kolonialismus, die Hautfarbe, das Wirtschaftswunder, das Glück, ein Erbe, gute Gene, Resilienz, Willensstärke oder einfach nur die Dummheit, sei dank, dass es mir so gut geht. Kaum zu glauben, wie es manchmal gehen kann. Welcher gute Geist sorgt dafür, dass ich zwar ausrutsche, mir aber nicht das Bein breche, gegen den Lampenmast fahre, aber keine Verletzung davontrage, die Straße ohne zu schauen überquere und das Auto mich nicht erfasst, die Steuererklärung nicht verstehe, die Erstattung aber doch auf meinem Konto eingeht, ich mir keine Ziele stecke, mir aber mehr als erfüllt wird als was ich mir zu wünschen wage. Ich muss wohl gesegnet sein. Was willst du jammern über Kriege und Konflikte, Bomben, Raketen, Vergewaltigung, Hunger und Flucht, Not und Schuld, wenn du selbst davon gar nicht betroffen bist? Also: Weniger Betroffenheit! Mehr Aktion! Weniger Emotion, mehr Einsicht! Das Klima lässt sich ändern, wenn ich meinen Schamanen richtig begriffen habe, im Kleinen kann ich selbst wirken, im Großen müssen wir die Kräfte bündeln. Draußen regnet es. Morgen wird es frieren. Wir sollten mehr Spazierengehen.
Woher mag wohl die große Sehnsucht nach der einsamen Insel im Meer, die Faszination von Segeln im Wind, die Lust auf Sonne und Höhen, die Liebe zur Landschaft, ob Berg oder Tal, kommen, wenn sich dann doch ein Großteil der Menschen in Einkaufsmeilen drängelt und Party feiert auf der Theresienwiese oder im Ballermann. Auf der einen Seite kuschelig, laut, überhitzt, tobend, dann aber doch wieder weit weg, alleine in der Natur, vielleicht noch Sex on the Beach und den darf mir wer bringen, der mich dann aber ganz schnell wieder mit meiner Partnerin alleine lässt. JedeR für sich sucht und findet davon weniger oder mehr. Die Bedürfnisse lassen Urlaubspläne reifen und locken zu neuen Abenteuern, wir sparen und buchen, versichern die Reise gegen mögliche Inkonvenienzen, damit uns möglichst nichts dazwischenkommen kann und dann verliert das Flugzeug mitten im Flug ein Fenster und das Trauma ist da. Plötzlich geht es nicht mehr weiter wie geplant und darauf sind wir nicht gefasst. Die Versicherung kann den Schaden nicht decken, rein materiell ist uns nämlich gar nichts zugestoßen, wir selbst sind es, die uns gestoßen haben, die ausgebremst wurden, die einmal mehr vielleicht ein bisschen zu viel erwartet haben. Zu viel davon, dass nämlich alles immer so weiter geht. Weiter damit, dass sich unsere Bedürfnisse an Einsamkeit und Ruhezeit so einfach kombinieren lassen mit der Geschwindigkeit mit der wir zwischen verschiedenen Lebensrealitäten hin- und herwechseln und der Vorstellung von Planbarkeit einer Erfüllung von Traumwelten. Wir möchten uns die Sehnsuchtsorte erhalten, tun aber doch alles dafür, sie zu zerstören – mit dem Kreuzfahrtschiff zu den Eisbergen. Wir fliegen die Miles ab und wollen More, wir erwarten auf hoher See ein ausgiebiges Buffet geboten zu bekommen und in unserem Einkaufswagen türmen sich Spezialitäten aus aller Herren Länder als würde die Ware gerade so mal hinter dem Supermarkt wachsen.
Hauptsache mir macht niemand mein Eigenheim streitig, meine Garage und einen weiteren Parkplatz gleich vor dem Haus, und mag es öffentlicher Grund sein, einen Anspruch darauf mache ich geltend, dass ich mein Wohnmobil, meinen Anhänger, meinen Cabrio dort abstellen darf ohne dafür eine Leistung erbringen zu müssen. Die Leistung könnte sich doch ausdrücken in Form einer bestimmten Anzahl von Stunden Straßenfegen oder Müll aufsammeln, Hecken schneiden, Vögel füttern. Ein bisschen Kreativität dürfen wir uns ja mal zugestehen. Nicht alles muss immer in eine Steuer münden. Nicht alles muss immer verwaltet werden. Das Zusammenleben ist ein Geben und ein Nehmen und kann nicht auf Abgrenzung und Inbesitznahme, puren Egoismus und konstante Versiegelung, Grenzziehung, Nutzung und Konsum aufbauen. JedeR muss auch mal zum Vorteil von anderen verzichten können, seine persönliche Bequemlichkeit zurücknehmen und anderen den Vortritt lassen können. Unsere Straßen sollten ruhiger werden, damit Zeit und Raum für Begegnung entstehen kann und wir dem Alltagsstress und den zunehmenden Geschwindigkeiten in der Kommunikation und der Mobilität immer auch mal entfliehen können ohne dafür weit reisen zu müssen. Statt sich abzukapseln in selbstfahrenden Autos sollten wir zu Fuß gehen und uns einander wieder zu begrüßen üben. In die Augen schauen statt hupen. Statt Porno im Netz, mal wieder im Garten vögeln. Es gibt so viele schöne Dinge für die wir gar nicht in so weite Ferne schweifen müssten, sich dabei die Emissionen reduzieren ließen und die Achtsamkeit erhöhen dürfte. Einiges davon würde auch die Kinder beeindrucken, deren Realität sich inzwischen zu einem großen Teil auf dem Bildschirm abzuspielen scheint, brauchst du mal nur für in der Bahn zu stehen und einen aufmerksamen Blick in die Runde werfen. Wer bekommt denn noch mit, wenn sich wer in der Tür verklemmt, kaum mehr stehen kann und gerne einen Sitz angeboten bekommen würde, Hunger hat, durstig ist, Einsamkeit verspürt?

Auf Effizienz getrimmt, multiple Realitäten und Prozesse gleichzeitig bewältigen, mit einem Lächeln im Gesicht, denn es könnte irgendwo eine Kamera laufen, schön wollen wir sein, stets in gutem Licht dastehen, das Glück als solches repräsentierend, voller Kraft und mit Freude jeden neuen Tag, jede Gruppe, die Kund*innen, die Kolleg*innen, die Frau oder den Gatten, die Kinder und die Eltern, die Schaffnerin, den Polizisten und die Steuerberaterin wohlwollend begrüßen. Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es heraus, also sei freundlich, klage nicht, versöhne dich mit deinen Nächsten. Es geht ihnen nicht besser und nicht schlechter, denn wir alle haben einen überschwemmten Keller und der Urlaub wurde uns gestrichen, weil Arbeitskräftemangel herrscht und wir uns doch glücklich schätzen dürfen, dass wir gebraucht werden. Und wenn nicht, dann noch besser, denn mit großzügig vom Amt gewährten Sozialleistungen lässt es sich doch bestens leben, wie einem doch manch einer meint verstehen lassen zu müssen. „Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Intolleranz, Egoismus, Machtmissbrauch, Gewaltbereitschaft, Verleugnung der Realiäten usw. erlebt, wie in der jetzigen Zeit. Und damit meine ich nicht nur das Weltgeschehen, sondern ganz besonders auch die gedanklichen Strömungen und Verrohungen im poitischen Umgang in Deutschland“ schreibt mir mein Bruder und da stehe ich dann mit meinem Aufruf zu mehr Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Barrierefreiheit. Nichts tun kann also doch nicht die Lösung sein. Inklusion fordert auf, etwas zu schaffen und sei es auch nur ein Geländer an dem sich wer anderes festhalten kann, eine Rampe, um den Einstieg zu erleichtern, eine Sprachnachricht, für denjenigen, der nicht lesen kann.
Frieden ist die Abwesenheit von Krieg und nicht mit Langeweile zu verwechseln. Krieg ist das Austragen von Konflikten mit Waffen und er kommt mit Exzessen von Gewalt daher. Krieg wird sehr häufig von Männern in mächtigen Positionen angezettelt, in sich selbst verliebte arrogante Psychopaten, mit denen vielleicht gesoffen werden kann und die an Treibjagden eine Freude haben, die es herrlich finden, wenn nach ihrer Pfeife getanzt wird und Frauen sich für sie bereit machen, mit denen ich aber nichts zu tun haben möchte und denen ich Einsamkeit unterstelle und von denen ich vermute, dass sie von allerhand Ängsten verfolgt werden. Kriege werden gefüttert durch Gleichgültigkeit und Ignoranz aber auch durch skrupellose Geschäfte, technische Überlegenheit, künstliche Intelligenz und Vorteilnahme. Die Schwäche der einen ist die Stärke der anderen. Noch immer geht die Geschichte um von der Wahrhaftigkeit und der Freiheit, der rechtmäßigen Verteidigung hoher Ideale und hehrer Ziele. Das ist wunderschön, so lange wie die Schlacht weit entfernt wütet und meine Anteilnahme sich beschränkt auf die Dauer von Nachrichtenzeiten und was ich in der warmen Stube zu lesen bereit bin. Ich bin froh, wenn es mir gelingt, die fiesen Fratzen von Oligarchen und Tyrannen möglichst auf Distanz zu halten. Ich muss kein Mann sein, um mich mit irgendwem messen zu müssen dessen Bosartigkeit schon Geschichte geworden ist vor seinem Tod und vor dem sich andere fürchten müssen. Ich brauche keinen Hass auf mich zu ziehen, denn ich bin machtlos und schwach, drohe nicht und weiß es nicht besser. Nehmen wir an ich wäre dumm und die Demenz schreitet voran. Ich tauche ab und schwebe willenlos in der Strömung.
Mag sein, dass Politik die Kunst ist mit Dikrepanzen und Ambiguitäten umzugehen, sich seine Verletzlichkeit eingestehen zu können, um dann doch in einem weniger beobachteten Moment einen gezielten Schlag zu machen und Einfluß zu nehmen auf den Lauf der Geschichte. Du spürst es gar nicht in der Echtzeit, hast den Moment nicht wahrgenommen, drüber hinweg gelesen oder mißachtet und dann zeigt sich mit einiger Verzögerung, dass in der Halbherzigkeit und im Mittelmaß Bewegung steckt. Mag sein, dass er nie den Grad an Berühmtheit erlangt hat, den ein Nobelpreis oder ein Schönheitswettbewerb, ein Fußballer des Jahres oder die Formel I hätte erbringen können, aber zufrieden ist, sei es gewesen, habe ich mir sagen lassen. Alles in allem war es ein schönes Jahr und ich bin gut hindurch gestrauchelt. Möge ich auch im kommenden Jahr in dieser Überzeugung, zu mir selbst stehen, dann halte ich auch noch ein paar weitere Jahre durch, ob es nun gewünscht ist oder nicht, uns etwas bringt oder doch nur ins Absurdum führt – wir sind verliebt! Die Zufriedenheit siegt.