Andererseits

Ich bin sehr vorsichtig. Die rote Linie beschreibt den Widerstand gegen den Energieriesen RWE und die lokale David-gegen-Goliath-Geschichte um den Hambacher Forst. Nie bin ich dagewesen. Ich bin in diese Geschichte nicht involviert. Ob ich die Diskussion für abwegig halte? Weil sich diejenigen, die sich für berufen halten, die Welt zu verbessern, eine aggressive Energie in sich tragen. Kann ich diese Bewegung vergleichend anschauen? Mich entrüsten. Ohne Rüstung lebend. Die nationale Identität der Strassenschlacht überlassen. Und doch noch eine Weile bleiben.

Andererseits. Alle, die sich für besser halten, sind verdächtig. Das gilt auch für Bewegungen. Ganz gleich mit und unter welcher Fahne sich die Großmütigen ereifern, ob mit rosa Schlaufe oder grünem Band. Ein Wort zur Sympathie. Ohnegleichen. Bescheidener ist, sich auf die Trauer zu beschränken. Rosen für Wiglaf. Trost unabdingbar. Mit Widerstand und Parolen tanzen um die Themen Klimawandel, Energiepolitik und zivilem Ungehorsam.

Andererseits – Hambacher Forst zum Symbol geworden. Die Auseinandersetzungen um die Räumung des Ladenlokals in Vergessenheit geraten. Wie der Wald im Herbst 2018. Ist die rote Linie schon überschritten. Und ab diesem Punkt der persönlichen Betroffenheit engagieren sich die Menschen. Musikalisch im Jazz ausgelebt und sprachbesessen abgeschmeckt, Wiglaf Droste in ironisch gebrochener Form auf Lesereisen betätigt.

Andererseits im Forum dem Doppelkonzert beigewohnt. Unvergleichlich gehoben, intellektuell überstrapazierte Berater*innen und glanzvolle Ikonen. Mächtig tonale Variationen, zurückhaltende bis introvertierte Präsentationen in der Kunsthalle bei satten Preisen in gehobener Gesellschaft still sitzend verbracht und kräftig geklatscht. Zu viel Schlagzeug, nur gegeneinander, uninspiriert Lärm produziert. Herrlicher Abend. Ein Genuss für der Klassik überdrüssig gewordene Freidenker und Zuhörer ohne es besser zu wissen – einfach nur beeindruckt. Weil es das gibt lohnt sich das Leben.

Andererseits Uiguren, nomadische Clanstrukturen zentralasiatischen Ursprungs, mit Anspruch auf Diskriminierung auf chinesischem Terrain. Programme der Umerziehung, der Verletzung von Menschenrechten, der Zerstörung von kulturellen Identitäten. Schamanismus und muslimischer Glaube. Separatismusbewegungen und Aufständen folgen Verhaftungen und Todesurteile. 10 Millionen fehlplatzierte, heimatlose, in ihrer Existenz in Frage gestellte Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen. Terror in China. Aufruhr gegen die Gerechten. Und wir weit weg. Überlassen wir Michael Wolffsohn weitere Erklärungen. Und halten wir uns zurück mit unseren Schlacht- bzw. Unkenrufen.

Andererseits Europa. Warum fliehen? So schlecht kann die Wahl doch gar nicht ausgehen. Haben doch was wir brauchen. Jedenfalls mehrheitlich. Wenn auch nicht glückselig. Oder doch? Verlassen. Das untergehende Schiff. Schuldgefühle. Kolonialherren. Und sich jetzt auf den Weg nach Osten machen oder nach Westen. Mit dem Zug oder auf der Autobahn? Per Anhalter oder Flixbus. Mit Ryanair oder Aeroflot, Kuwait oder Delta Airlines? Wohin darf die Reise gehen. Rückflug mit gebucht? Reiserücktrittversicherung. Hatte ich beinahe vergessen. Flucht vor den nationalisitischen Bewegungen. Es erwarten dich eine Vielfalt autoritärer Regime. Flucht vor reaktionären Kräften. Herzlich willkommen bei den Autokraten und Oligarchinnen. Flucht vor der Verarmung. Mach dich auf die Realität gefasst. Slums können es kaum erwarten dich aufzunehmen. Flucht vor dem Alter. Lass dich von der Jugend jagen.

10 Jahre Festival. Jazz in Bonn. Fröhliche Töne springen dich frontal an. Voller Spannung andererseits. Raus aus dem Atom. Mit Frankreich ist nicht zu spaßen. Noch findet Solarstrom aus der Sahara keine Trassen. Die Energie geht uns aus. RWE. Deine Lösung. Russisches Gas oder Seidenstrassen-China-Deals. Endstation Europa. Armselige Kleinstnationen. Verweichlichte Demokrat*innen. Hedonistische Opfer. Armselige Hoffnungen. Oder doch lieber bleiben. Denn wohin soll die Reise gehen wenn nicht Afrika oder Doha. Wenn nicht Brasilia oder Rio de Janeiro.  Jazzkunst und Weizenbier für ’nen Bauernhof zurücklassen? Kannst du die rote Linie wohl nicht mehr sehen. Lieber noch Katharina Barley wählen. Die hat noch Mumm in den Knochen und juristischen Verstand. Wenn man die Familien anschaut, kann man sehen: Das Hauptgewicht liegt bei der Frau. Unsere europäischen Frauen machen in der Welt ganz gut was her. Lass die Wahlen mal ruhig kommen. Und uns lieber doch nochmal bleiben.

Andererseit: Woanders lässt sich auch leben. Ist doch nur eine Frage der Gewohnheit. Und die ist Macht. Ab acht. Ist Einlass. Und das zu einem Preis von nur €51,25. Wie gesagt. Im Doppelkonzert: Eric Schaefer und Joe Lovano Trio. Platzwahl frei. Und jetzt kann ich mich noch um den Marché aux Puces kümmern. Heute allerding fermé. Wir machen am 16. Juni auf. Und sammeln Spenden.

 

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