Arbeit

Arbeit ist das halbe Leben. Und was wäre dann die andere Hälfte? Metro. Boulot. Dodo. Untergrund, Arbeit und Schlafen. Sagen wir einfach mal fünf bis zehn Stunden täglich. 24 Stunden geteilt durch 3 gleich 8. An manchen Tagen arbeiten wir länger, an anderen etwas kürzer. An Sonn- und Feiertagen arbeiten nur die anderen. Die Köch*innen, die Haushälter*innen, die Pfleger*innen und Chauffeur*innen, die Polizei, die Feuerwehr und das Krankenhauspersonal. Nicht immer, aber sehr häufig sind es die schlechter bezahlten, die unteren Schichten halt, die niederen Klassen, die arbeiten, und es auch an Sonn- und Feiertagen nicht lassen können. Wer es sich leisten kann wird Sonntags auf der faulen Haut liegen, sich den Freuden und den Freunden, den Götzen und den Göttern widmen, meditieren, spazieren und auf körperliche Arbeit verzichten. Es sei denn wir schwingen uns aufs Mountainbike oder schwitzen im Sportstudio.

Arbeit fragt nach Ausgleich. Im Kontrast zur Arbeit steht die Freizeit. Freizeit ist Freude. Arbeit ist Leid. Die Freizeit dient vor allem der Erholung und als Ausgleich zu den Anstrengungen im Job-Alltag.

Ob nun Kochen Arbeit ist oder Staubsaugen Freizeit? Ob nun Rosen schneiden Gärtnerarbeit ist oder Mathe Hausaufgaben sind, wäre jeweils im Einzelfall zu untersuchen. Tatsächlich kann Baby-sitting bezahlte Arbeit sein, auch wenn Großeltern bisweilen den Anschein machten als gäbe es nichts erquickenderes auf Erden. Andere betrachten Fußball als Spiel und freuen sich auf den Feierabend, um auf das Feld zu kommen, andere verdienen sich im Stadion damit eine goldene Nase. Mag also auch etwas damit zu tun haben wie gut wer in was ist, ob ein Handwerk nur gelernt wurde oder sogar erfolgreich praktiziert wird, ob man eine Anstellung gefunden hat oder arbeitslos geblieben ist. Und auf das Gefühl kommt es an: Ob ich mich ausgebeutet fühle wie eine alleinerziehende Mutter während des Corona-Lockdowns oder wie Thomas Middelhof, wenn ihm Untreue und Steuerhinterziehung nachgesagt wird.

Arbeit wird in unseren industrialisierten Volkswirtschaften in Stunden gemessen. Zumindest was diejenigen anbelangt, die sich zur werktätigen Bevölkerung zählen. Oder wenn wir zu Vergleichen und Bewertungen kommen wollen wie zum Beispiel die Anzahl der Stunden, die ein Mann im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung in diesem Jahr mehr gearbeitet hat als im vergangenen. Es geht um Relationen und um Mehrarbeit. Um Männer und um Frauen, um Kinderarbeit und Lohnarbeit. Es geht um Überstunden und Zeitausgleich, Pausen- und Krankenzeiten. Wer feiern kann, soll auch arbeiten können. 40 Stunden pro Woche ist Regelarbeitszeit, Vollzeit. Es dürfen, manchen Tarifen nach, auch ein paar Stunden weniger sein. Der Trend geht zu dreiviertel-Verträgen, also Leute, die in Stunden umgerechnet nur noch etwas weniger als 30 Std. pro Woche für den Arbeitgeber tätig sein sollen. Wer lediglich 15 Std. pro Woche einer Erwerbstätigkeit nachgeht, der fällt schon in den Bereich der Nebentätigkeit. Eine Nebentätigkeit soll nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer plötzlich erschöpft oder unmotiviert sind und schlechtere Leistungen bringen. Dennoch kann es vorkommen, dass der Arbeitnehmer*in ein Job nicht reicht – sei es, weil noch etwas dazu verdient werden muss oder weil der Mensch nicht ausgelastet ist.

So ging es früher einmal um den Brotwerwerb. Um den Schweiß im Angesicht, die Mühe und Kraft, die aufgebracht werden musste, um abends ein Essen auf den Tisch zu bekommen, um ein Dach über dem Kopf zu haben, um sich abends sicher vor Feinden und vor Sturm und Hagel in ein Bett kuscheln zu können. Ohne Fleiß kein Preis. Ohne Leistung kein Lohn. Ein Recht auf Essen und Bildung, Gesundheit und ein Haus bestand so erstmal nicht. Kam erst im vergangenen Jahrhundert mit den Menschenrechten. Vielleicht die Freiheit zu streben nach dem Glück und die Chance, im Wettstreit gegen andere zu siegen. Schönheit, Schlauheit und Gesundheit waren und sind gute Voraussetzungen, um mit weniger Aufwand mehr Erfolg haben zu können. Wenn die Arbeit gut bezahlt wird, braucht es weniger Mühe und Lebenszeit, um das gewünschte Auskommen zu sichern. Da mag es sich lohnen, frühzeitg darüber nachzudenken, womit man seinen Lebensunterhalt meint sichern zu wollen. Sofern wir tatsächlich selbständig und frühzeitig uns die Frage stellen, was wir denn meinen arbeiten zu wollen. Bademeister erschien mir früher ein besonders erstrebenswerter Beruf, eine verantwortungsvolle Aufgabe und nicht allzuharte Arbeit. Wer sich die Hände nicht schmutzig machen möchte, sollte nicht KFZ Mechanikerin sein wollen und wer wetterfühlig ist, sollte nicht auf den Bau gehen. Musiker mag gar vollkommen ohne Arbeit auskommen – aber Tourneen sind auch kein Zuckerschlecken. Und bei fehlendem Kleingeld für das Abhängen nach den Proben rächt sich in Form sozialer Missachtung, was das Privileg derjenigen hätte sein sollen, deren Familien mit Soforthilfe einspringen, wenn die Mittel mal nicht mehr so üppig fließen. Man wird halt auch nicht einfach so Beatle, Bill Haley oder Beethoven. Auch wenn es geheißen haben mag ohne Mühe kein Lohn und wo ein Wille ist ist auch ein Weg.

Gastroenterolog*innen und Zahnärzte sollen nicht ganz schlecht verdienen. Aber nicht jede wird sich nach ausführlichem Studium der Aufgabenbeschreibung unbedingt nichts sehnlicher wünschen als im Gewebe anderer herumzuprokeln und zu stochern. Es sei denn es fehlen die Alternativen. In der Bezahlung und in der Anerkennung rangieren Enterolog*innen, Onkolog*innen und Gynäkolog*innen sicher um einiges höher als Abwasserspezialist*innen und Kanalarbeiter*innen. Was aber sicher etwas mit der Frage der Verantwortung und nur wenig mit der gesellschaftlichen Akzeptanz zu tun haben sollte.

In jedem Falle habe ich mich schon immer gewundert, was die Menschheit an Berufsbildern im Stand war hervorzubringen. Nicht dass ich als Schüler irgendeine Ahnung gehabt hätte davon, was es an Arbeitsmöglichkeiten und Aussichten gegeben hätte. Und mal ganz davon abgesehen, dass Berufsbilder von damals heute schon lange nicht mehr existieren. Für mich hätte es eigentlich immer nur ein Handwerk sein können. Versicherungen und Krankenkassen, Banken und Bürogebäude konnten mich nicht locken. Auch wenn ich dem Versprechen von Sparbriefen, Auto-Finanzierung und Sonnenstränden durchaus etwas abgewinnen konnte. Da hatte doch manch eine ehemalige Mitschüler*in, noch bevor ich überhaupt kapiert hatte, dass das Studium in eine Berufstätigkeit führen würde, ein Einfamilienhaus gebaut mit Doppelgarage. Derweil ich mein Fahrrad mit dem Europabus nach Faro überführte und einige Wochen in Portugal herumradelte hatten die ersten sich schon ein Wohnmobil zugelegt oder den Traum ihrer Eltern vom ausgebauten VW Bus erfüllt. An dem Konzept „Arbeit ist das halbe Leben“ und mit der anderen Hälfte bist du Konsument, musste ich mich ein lebenlang abarbeiten.

Es soll Völker geben, die definieren sich über ihre Arbeit. Sie sind tüchtig und Leistung wird bei ihnen hoch geschätzt. Menschen, die sich diesen Völkern zugehörig fühlen, zeichnen sich aus durch eine hohe Leistungsbereitschaft und sie wollen gefordert werden. Sie sprechen Ziele ab mit ihren Vorgesetzten und erklären gegenüber diesen ihre Bereitschaft, sich an der Latte ihrer Zielerreichung messen zu lassen. In Mitarbeitergesprächen verständigen sie sich auf Erfolgsfaktoren und legen Indikatoren fest. Ihre Arbeitsergebnisse bewerten Sie auf Grundlage von Wirkungslogiken. Solche Menschen verdienen Achtung und Belohnung. Sie sammeln Badges, würden sich damit aber nicht zufrieden geben, sondern gerne auch beteiligt werden am Firmenergebnis. Aber nie mit dem Risiko behaftet eines Verlustes an Sicherheit.

Es gibt Menschen, die klagen über Unterforderung und wir haben erfahren, dass sich Unterforderung in gleichem Maße wie Überforderung in Stress niederschlagen kann und zu Burnout führt, wenn nicht rechtzeitig dagegen angegangen wird. Es gibt Menschen, die verwirklichen sich in ihrer Arbeit. Und andere, die suchen noch. Wir wollen diese Menschen nicht alleine lassen und ihnen entsprechend förderliche Strukturen bieten. In gutem Glauben optimieren wir unsere Organisationen, standardisieren Prozesse, automatisieren und digitalisieren, kommunizieren auf tausenderlei Kanälen, um mit den Kunden und den Partnern, dem Team und den Auftraggebern ständig Kontakt zu halten und die Kontrolle zu haben über Qualität und Befindlichkeiten. Wir arbeiten uns ab an unseren Vorstellungen einer geordneten und heilen Welt, einer Welt in der Capacity WORKS und Spezialist*innen die Kontrolle übernommen haben, wo Hygienekonzepte und Sicherheitsvorschriften, Din-Normen und Brandschutzbestimmungen uns vor dem Chaos schützen.

Der Bereich Kultur blüht auf in der digitalen Welt, danksei Corona und des dadurch veranlassten Abstandhaltens. Die Online Sphäre wird bespielt und das Know-How dazu liefern die Millenials, die als Digital Natives hineingewachsen sind in die Welt der Datenströme, wenn sie dann auch noch ausgestattet sind mit dem Privileg, die Familie zur Leistung finanzieller Soforthilfen einspringen lassen zu können. Kultur in Massen für alle online zu haben statt exklusiv und verbannt in die kleinen Kaschemmen und Clubs, auf die Bühnen der Großstädte, der Schickeria vorbehalten und den Besserverdienenden die Freizeit versüßend. Statt Karneval der Kulturen und Massen-Bohei jetzt You-Tube, Vimeo und Spotify. Jazzfestival Online, Rockpalast online, Kultfilm, Dialog, Wahlschlacht und Meditation, Workout und Feierabendbier jetzt seit kurzem alles virtuell. So sparen wir uns CO2-Emissionen und erfüllen den Digitalpakt.

Wir lernen täglich dazu und stellen uns ein auf die neue Welt, die wir uns da willfährig kreieren. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir all die Bürogebäude gar nicht brauchen und auf den Ausbau von Flughäfen verzichten können? Wer hätte gedacht, dass sich Urlaubsorte auch in der Umgebung von 300 bis 500 km finden lassen? Arbeit und Freizeit warten auf neue Konzepte, meines Erachtens. Mag sein, dass wir in den vergangenen 2 bis 3 Jahrzehnten einfach doch zu vermessen gewesen sind. Aber das Herunterschrauben wird uns nicht leicht fallen. Schon alleine wegen der Disparitäten zwischen denjenigen, die über gut bezahlte und krisensichere Jobs verfügen und auf nichts anderes warten als dass die Grenzen sich öffnen und sie dort weitermachen, wo sie vor ein paar Monaten aufgehört haben und denjenigen, denen durch den Corona- Shutdown die Hoffnungen und die Träume auf eine gute Zukunft für ihre Kinder geplatzt sind. Job weg, Ersparnisse weg, zurück auf Los und jetzt noch einmal neu durchstarten.

Arbeit sollte eigentlich dem Lebensunterhalt dienen und nicht die Macht anderer stärken und fördern. Aber das genau ist die Essenz der Kritik am Konzept. Da hatte, soviel ich gelesen und verstanden habe, sogar schon Karl Marx angesetzt. Warum etwas leisten , wenn es doch nur dazu dient, dass es einigen wenigen immer besser geht und eine Mehrheit der Wohlstandsgesellschaft sich im Konsumrausch verfängt. Kaufkraft stärken, Konsum anregen, Märkte entwickeln. Wer bestellt denn das Feld und sorgt dafür, dass wir morgen etwas zu essen haben? Wer baut die Strassen und pflegt die Grünanlagen, wer legt Schienen und schraubt Maschinen zusammen, wer repariert die Heizung und wartet die Kläranlage? Wer pflückt das Obst, verpackt den Salat, baut Kaffee und Kakao an, liefert die Textilien? Und wer putzt die Toiletten in unseren Büropalästen, pflegt die Alten in den Krankenbetten? Welchen Beitrag haben die Deutschen geleistet zum Wohlstand der Nationen? Und wie ist es ihnen immer wieder gelungen sich die Spitzenpositionen zu sichern? Einfach nur Arbeit wird es nicht gewesen sein. Rassistische Überzeugungen und ein ausgeprägter Paternalismus werden sicherlich ihren Beitrag geleistet haben. Und so kommt es, dass dieses Volk selbstverständlich ohne Behinderungen in der Welt herumreisen darf derweil die anderen an den bundesdeutschen Grenzen zurückgewiesen werden? Ist es Leistung? Ist es Arbeit? Ist es Macht? Sind es eine geschickte Politik und eine starke Interessensvertretung?

Nicht zu arbeiten ist auch ein Ideal. Im Zweifelsfall lässt sich die Arbeit auch mobil erledigen, auf dem Segelschiff, im Sportwagen. Wer gut Anweisungen geben kann zeichnet sich aus für mobile Tätigkeiten und wird auf der Baustelle selbst gar nicht mehr vermisst. Anweisungen geben und Verhandlungen führen, Verträge unterschreiben und Kooperationen anbahnen sind Tätigkeiten, die anderen Menschen oftmals viel Arbeit machen können. Bezahlt werden in der Regel diejenigen besser, die Arbeit machen als diejenigen, die die Arbeiten letztendlich ausführen dürfen. Aber es ist schon auch immer eine Frage des Könnens und der Bereitschaft, sich auf das geforderte Spiel einzulassen. Nicht jeder und jedem macht es besondere Freude Arbeit zu schaffen. Im Gegenteil: Ich kenne viele Leute, die halten von Arbeit gar nicht so viel und verspüren wenig Bedürfnis stets wieder neue Arbeit zu produzieren. Insofern bilden wir die Gruppe derjenigen, die Arbeit als Broterwerb begreifen und nicht als Zeitvertreib. Wir können uns sehr wohl auf eine begrenzte Anzahl von Stunden beschränken, wenn es um den Erhalt eines Unternehmens, seiner Vision oder Mission handelt. Stattdessen liegen wir lieber im Garten und genießen die Vogelstimmen.

In einer Zeit der Digitalisierung und der Automatisierung laufen wir jedoch Gefahr, eines Tages ohne Arbeit dazustehen. Wenn Maschinen unsere Aufgaben übernommen haben und wir zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Ob wir dann noch Milch und Zucker bekommen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B befördert werden? Ob wir uns dann noch ein Eis leisten können oder über Netzzugang und ein Konto verfügen – das wird sich zeigen. Rechnerisch verspricht mir meine Rente eine Grundsicherung bis zum Lebensende womit der Lohn meiner Arbeit sich in ein bisschen Lebensstandard bis zum Ausscheiden niederschlagen dürfte. Aber Gewiss ist auch das nicht. Selbstbestimmung fängt bekanntermaßen im Kopf an und braucht ein bisschen Basisbildung. Danach bleibt es ein Kampf, tägliche Arbeit und ein bisschen Glück gepaart mit gutem Willen und einer freundschaftlich gesinnten Umgebung.

Arbeit ist die Energie, die durch Kräfte auf einen Körper übertragen wird. Es heißt: „An dem Körper wird Arbeit verrichtet“. Das geschieht, indem eine Kraft längs eines Weges auf ihn einwirkt.
Die geleistete Arbeit berechnet sich in diesem Fall als Produkt aus der in Wegrichtung wirkenden Kraft mit der Wegstrecke. Bei nicht geradlinigen Wegen gestaltet sich die Berechnung schon etwas komplizierter. Und weil ich in Physik sehr viel abgelenkt war und mich irgendwann auch dagegen entschlossen hatte mit Physik meinen Lebensunterhalt bestreiten zu müssen, habe ich auch fast alles, was mir die Physik hätte erklären können, auch wieder vergessen. Das Formelzeichen für die Arbeit ist das „W“ – und das „W“ steht für Work. Als Einheit wird Joule ( J ) verwendet. Und Joule wiederum steht bekanntermaßen für die Energie. Irgendwie scheint mir, dass Arbeit auch Energie erfordert und ich schließe daraus, dass Energieverbrauch sich auch dadurch reduzieren ließe, dass weniger gearbeitet wird. Das sollten wir uns bei Gelegenehit nochmal genauer anschauen.

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