Der Begriff fällt häufig dieser Tage. Über Krieg wird gesprochen. Er kommt näher und findet nicht nur in der Ferne statt. Auch wenn keine Bomben fallen in unmittelbarer Nähe und in den Strassen nicht geschossen wird. Für die Nachrichten ist es ein tägliches Phänomen. Ob ich die Zeitung aufschlage oder dem Radio folge, dem Krieg kann ich nicht entgehen. Wir handeln wieder verstärkt mit Waffen und die Maschinerie wird hochgefahren. Die Wirtschaft steigert den Umsatz durch das Schaffen destruktiver Kräfte. Wir wenden viel Ressourcen auf, um zu zerstören. Die besten Ingenieure und klügsten Köpfe kommen zusammen, um Waffensysteme zu entwickeln und Abwehrkräfte zu mobilisieren, die logistischen Herausforderungen zu meistern, die sich unseren freiheitsliebenden Völkern stellen, damit Verteidigung zur Stelle ist, wenn der Feind sich anschickt vorzurücken. Grenzen verschwimmen und wir sprechen wieder von Fronten. An der Front stoßen die Helden aufeinander. Junge Burschen, alte Recken, treue Kämpferinnen und ein Heer von Söldnern rückt vor, um zu schlachten und in die Flucht zu drängen. Mit Folter werden Geständnisse herausgequetscht aus den schmerzverzerrten Leibern, und durch Mißbrauch Macht demonstriert, vollendet in der massenweisen Vergewaltigung von Frauen und dem demonstrativ brutalen Exzess vor den Augen der Kinder. Scheints hemmungslos kommt es zu Greueltaten. Und im Nachgang ziehen die ForensikerInnen über die Schlachtfelder, um ausgiebige Autopsien vorzunehmen auf der Suche nach Indizien, die eine Anklage gegen die Täter*innen stützen.
Krieg wird immer von den Bösen angezettelt und die Guten werden nur hineingezogen. Wer sich nicht wehrt hat schon verloren. Irgendwer muss den grausamen Job übernehmen. Die Nationen mobilisieren darum ihre Kräfte, stellen Kompanien und Brigaden zusammen, ziehen die Reservisten ein und auch alle anderen, die nicht gerade unabkömmlich sind. Wer sich nicht schnell genug aus dem Staub machen konnte, steht schon bald in Uniform gekleidet und frierend im Schützengraben. Wenn der Regen langsam in Schneee übergeht und das Wasser zu frieren beginnt, dann wird es ungemütlich da draussen. Wenn der Befehl zum Vormarsch ertönt, dann heißt es gewinnen und blos nicht zum Opfer werden, denn dann bist du gänzlich verloren. Also, schlage dich tapfer und kämpfe dich vor bis zu den Heeresführern der anderen Seite, den wahren Feinden. Denn auf dem Schlachtfeld begegnen sich nicht diejenigen, die sich das ausgedacht haben, sondern die Schachfiguren, die je nach Strategie verschoben werden und denen die Züge, die als nächstes zu machen sind, befohlen werden. Das ist nicht erst seit heute so und das war auch im 30-jährigen Krieg nicht anders. In den Weltkriegen nahm das Schlachten und Zerstören nur unermessliche Ausmasse an, aber die Einsatzleitung behielt das Sagen – bis sie daniederlagen. Und das Narrativ, die Freiheit, das Recht, die Wahrheit, das Gesetz, waren immer und zu jeder Zeit auf der Seite aller, die in die Schlacht zu ziehen bereit waren.
Die Zögerlichen und die Zauderer, die von Gewissensnöten geplagten und weniger von ihrer Sache überzeugten, versuchten sich zu verstecken, zu fliehen oder predigten noch den Frieden als die Nacht zu dunkel wurde, um noch ein Licht durchscheinen zu lassen. Da mag der Einwand „so werden wir den Hitler nie mehr los“ und „wir lassen uns von Putin doch nicht die Vorherrschaft entreißen“ verhallen und Kurt Tucholsky in der Melancholie versinken. Von Dietrich Bonhöffer verlauten die Worte „der nächste Krieg sei entschlossen zu ächten, aus dem Gehorsam gegen das uns heute treffende Gebot Gottes, daß Krieg nicht mehr sein soll, weil er den Blick auf die Offenbarung raubt“. Ernst Friederich gründet 1925 das erste Anti-Kriegs-Museum in Berlin und veröffentlicht seine Sammlung „Krieg dem Kriege„. Doch das hilft alles nichts. Die pazifistischen Kräfte bleiben in der Minderheit, finden einen frühen Tod, verbringen Lebensjahre in Gefängnis und Psychiatrie oder verzweifeln ganz für sich alleine. Wer sich nicht zu Vaterland und Staat bekennt ist in einer schwachen Position. Die Freiheit dahin zu gehen, wo es sich in Frieden leben lässt, kann einem schnell entzogen werden. Pazifisten waren noch nie gute Politikberater und Strategen. Als Literaten und Philosophen, Autorinnen und Denkerinnen mögen sie in das Buch der Geschichte eingegangen sein, aber nicht in der Rolle pragmatischer Staatenlenker.
Zum Glück dürfen wir aber doch noch selbst wählen, welche Rolle wir einnehmen, wofür wir bereit sind zu kämpfen und gegebenenfalls zu sterben und wieso wir uns einer fertig gefassten Meinung entziehen, obschon wir eine Haltung bereit sind einzunehmen. Weder Putin noch Selenski zu folgen, sich weder von Christine Lambrecht noch Lloyd Austin an die Front schicken zu lassen, das sollten wir uns als ein Recht vorbehalten. Mag der Staat auch mehrheitlich beschließen, sich den Alliierten oder sonst einem Bund anzuschließen, so muss das nicht heißen, dass wir die Auffassung teilen, Aggressionen wären militärisch zu lösen. Wie Schlachten geschlagen und gewonnen werden, darüber können sich diejenigen Gedanken machen, die meinen es wäre das unausweichliche Los der Menschheit, sich von Befehlshabern mit dem Töten beauftragen zu lassen. Ginge es darum, gemeinsam darüber nachzudenken, wie ein Putin ausgelöscht werden könnte, dann ließe ich mich dazu vielleicht noch motivieren. Er ist aber nicht der Einzige, den ich gerne beseitigt gesehen hätte. Hat es für derlei Sonderkommandos nicht einmal den Stamm der Assassinen gegeben? Eine sehr nützliche Einrichtung seinerzeit. Ein Schrecken für viele selbstherrliche Fürsten und Großinquisitoren. Die Assassinen kämen mir nun ganz gelegen und hätten sicher Gründe genug, um den mit der orthodoxen Kirche verbündeten Vladimir Putin hinterrücks anzufallen und zu meucheln. Ja sicher – lasst uns gemeinsam das Gute erträumen – wishful thinking.
Ich bin froh nicht zu wissen wie nah oder fern der Krieg gerade ist. Gerne will ich Geflüchteten Schutz gewähren und was mir an Wohlstand bleibt teilen. Ihr braucht mich nicht erst zu bedrohen. Ich kann euch meine offene Hand auch schon vorher entgegenstrecken und ein Angebot unterbreiten. Hoffen wir, dass es auf einen unmittelbaren Konflikt nicht hinauszulaufen braucht. Denn es wird furchtbar, wenn die Skrupellosen die Regeln machen, wenn die Aufgehetzten und Verblendeten dir nach dem Leben trachten, wenn das männliche Geschlecht keine Befriedigung findet und sich mit Gewalt und Lust am Fleisch vergreift. Wenn verdummte Massen sich in den Strassen versammeln und grölend beginnen Minderheiten zu schassen, dann wird es unangenehm. Dann können wir nur hoffen, dass unsere Vorräte reichen und wir in der Nachbarschaft Freundschaften gepflegt haben. Wer dann seine Zäune zu dicht am Privatbesitz gemeint hat hochziehen zu müssen, der wird sich alleine wehren müssen. Auch Krieg ist in Gemeinschaft besser zu ertragen. Darum schwört der Soldat auch auf Kameradschaft. Kameradschaft muss es aber nicht nur bei der Armee geben. Solidarität gedeiht sehr gut vor Ort, wo Menschen sich auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen, den Streit auch ohne Waffen bereit sind auszuführen und nicht nur auf das Recht der Stärkeren beharren.