Der Sommer naht. Einsame Strände steigen im Wert. Kreuzfahrten sollten rechtzeitig gebucht werden. Unterkünfte in London und Amsterdam, Prag und Venedig sind kurzfristig nicht mehr zu haben oder unerschwinglich für den unteren Mittelstand. Darum wenden wir uns günstigeren Reisezielen zu: Indonesien, die Karibik, die nordafrikanische Küste. Wo es noch Leistung für wenig Geld gibt, dankbares Personal, freundliche und wohlgesonnene Menschen, die einem zu Diensten sind und das bei größtmöglicher Gutewettergarantie. Dass die Temperaturen weltweit steigen kommt uns in unserem Bedürfnis nach Sonne und lauen Sommernächten nur entgegen. Wenn Mittelmeerinseln im Müll ersticken und die lokale Bevölkerung sich die Mietwohnung nicht mehr leisten kann, weil Airbnb das Marktsegment beherrscht, dann hat das mit uns nichts zu tun. Oder wir blenden das einfach mal für ein paar Tage aus. Wir wollen uns unsere gute Laune und unsere Urlaubsfreude doch nicht nehmen lassen. Wir brauchen die Auszeit und haben Entspannung verdient, denn wir haben über Monate hinweg auf gutes Essen, frische Luft und Lebensfreude verzichtet und Leistung erbracht, unsere gwesellschaftlichen und familiären Pflichten erfüllt. Nun ist es an der Zeit, dass wir mal für uns sorgen. Dem Alltag, der täglichen Verantwortung und konstanten Belastung zumindest für 10 Tage oder 2 Wochen den Rücken zugekehrt. Wer es schafft, sich drei Wochen Auszeit zu gewähren gehört schon zu den wahren Gewinnern.
Wir wollen viel sehen und Fotos machen, uns die Sehenswürdigkeiten des Urlaubslandes nicht entgehen lassen. Leider ist es uns kaum möglich mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, weil wir die Sprache nicht beherrschen. Doch glücklicherweise sind die internationalen Flughäfen Englisch ausgeschildert und so finden wir unseren Weg um die Welt, tauchen hinein in die fremden Kulturen und dringen vor bis in die letzten Ecken, solange uns irgendein Transportmittel zur Verfügung steht. Meistens finden sich sogar an den abgelegensten touristisch erschlossenen Orten noch Menschen, die Englisch oder vielleicht sogar Deutsch sprechen und die ganz bestimmt von den Qualitäten Deutschlands etwas verstehen und sich riesig über unsere Offenheit und Zugewandtheit freuen. Irgendwann stellen wir dann fest, dass auf wundersame Weise es meistens schon anderen vor uns gelungen ist an den jeweiligen Ort vorzudringen. Nie sind wir allein. Irgendwie trifft man stets auf Gruppen von Reisenden, mehr oder minder professionell, gut ausgestattet, in Weltmode gekleidet. Egal ob amerikanisch, asiatisch oder europäisch – die Mittelschichten und Oberschichten der industriealisierten Länder treffen sich vor den historischen Bauwerken und Museen, den Denkmälern und in den einschlägigen Vierteln dieser Welt, sind unterwegs in den Reservaten, an den Stränden, auf den Inseln und in den Bergen. Je größer das Budget, desto exklusiver das Reiseerlebnis. Mittelmäßigkeit trifft auf Massenansammlungen und steht in Warteschlangen, muss rechtzeitig eine Eintrittskarte sichern und nach Schnäppchen Ausschau halten.
Mit dem Auto verreisen ist out, echt old school. Heutzutage kostet man die Urlaubszeit aus, vom ersten bis zum letzten Tag, denn das Flugzeug versetzt einen schnell von einem Ort an einen anderen und mehr noch als in der Vergangenheit zählt heute die Zeit, die Pünktlichkeit, die Gewährleistung und Sicherheit. Der kurzfristige Rücktritt von der lange im Voraus gebuchten Reise, der Rückflug im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls ist versichert. Zu wertvoll sind die Tage ohne Arbeit als dass wir sie leichtfertig verbringen oder uns übers Ohr hauen lassen wollen. Darum sind unsere Ansprüche hoch und sollen erfüllt sein. Wenn das Hotel nicht genau das bietet was im Katalog versprochen wurde, dann wird auf Schadensersatz geklagt. Dafür, dass wir uns auch in der Fremde wohl fühlen sorgt unsere Kreditkarte, die beinahe weltweit akzeptiert wird. Und Supermärkte gewährleisten weltweit hohe Standards (Global Food Safety). Überall gibt es Pizza und Spagetti, Hamburger und Hot Dogs.
Nur leider bleibt der Urlaub nicht verpackungsfrei und ist wohl kaum ohne CO² Emissionen zu haben. Die Reise kann noch so sehr fair und nachhaltig geplant sein – verreisen belastet die Umwelt. Es fängt mit der Geschindigkeit und mit der Entfernung an. Und es hört mit den natürlichen Gegenheiten am Urlaubsort auf. Welche Gewohnheiten behalten wir bei, duschen und waschen uns in Trockengebieten, konsumieren importierte Waren an Orten, wo keine Landwirtschaft stattfindet? Welchen Aufwand betreibt die Gastronomie, um ein attraktives Angebot an Gerichten für das reisende Volk betreit zu halten? Wieviel Verpackungsmüll entsteht, weil Reisende an allen Lagerplätzen und Raststätten Einweggeschirr und in Kleinstmengen verpackte Lebensmittel hervorholen und die Reste vor Ort entsorgen? Wielange noch werden wir diese Form von Umweltverschmutzung zulassen und uns das uneingeschränkte Recht auf Massentourismus zugestehen? Die Nutznießer dieser Märkte, die wohlhabenden Reisenden und diejenigen, die das Geschäft machen, mögen es nicht, wenn das Konzept in Frage gestellt wird. Aber wer fragt die Milliarden von Menschen, die sich noch lange keinen Urlaub werden leisten können. Die auf den Müllbergen zurückgelassenen, von ihrem Land verdrängten, deren Stückchen natürliche Lebenswelt von Transittrassen (Hochgeschwindigkeitszüge, Flughäfen, Schnellstraßen) zurstückelt wird, deren Brunnen versiegen.
Die Frage die mich dabei immer beschäftigt ist, ob wir warten bis Völker aufbegehren und sich Konflikte zuspitzen, ob wir unsere Hoffnung auf die Gesetzgeber richten oder ob wir selbst uns mäßigen können. Können solidarisches Verhalten und Bescheidenheit zusammen uns einen Weg aufzeigen, der uns zurückführt zu den Orten in unserer eigenen Umgebung? Wo wir den Garten in unserer Nachbarschaft wieder neu entdecken, den Boden und den Regen riechen, wo Schmetterlinge und Wildbienen, Vögel und Reptilien unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wir Entspannung und Ruhe finden ganz ohne in die große Ferne reisen zu müssen. Jedenfalls nicht jedes Jahr und immer wieder und noch im hohen Alter. Gönnen wir uns doch mal Urlaub vom Urlaub und bestaunen das was wir vor Ort alles haben.