Verkehr

Schneller, immer schneller. Umweltverbrauch steigend, Landschaft zerstörend. Rücksichtsloser, aggresiver und immer schwerer rollt der SUV durch die Straßen. Wir machen Platz und asphaltieren rastlos zu, wo noch ein Gras wachsen könnte und der Igel rascheln möchte im Laub. Das Auto hat Vorfahrt und wenn es sich drängt, dann kommt noch eine Spur dazu. Da zählt doch die Katze nicht, die die Straße überqueren wollte, nicht das Wildschwein und auch nicht das Reh. „Freie Fahrt für freie Bürger“, vereinsamt in Blechkarossen sich zu und von der Arbeit fortbewegend, sich beklagend über  die schlechte Infrastruktur. Wo rund 40 Millionen Fahrzeuge alleine nur abgestellt schon 22×22 km Platz brauchen könnten. Wo jede/r zweite Bundesbürger/in ein Auto fährt. Wo Haushalte mehr als einen Parkplatz beanspruchen und in manchen Stadtteilen sich abends kein Fahrzeug mehr abstellen lässt.

Aber immer mobiler muss die Arbeitswelt werden, immer flexibler die Mitarbeiterin. Immer teurer die Immobilie im Großraum und güstig dort, wo die öffentlichen Verkehrsmittel nicht hin gelangen. Ökonomische Gesetze schreiben uns vor, dass es Steuerabzüge geben darf für lange Anfahrtswege (Penlderpauschale), dass Autos von der Steuer abgesetzt werden können, weil sie Betriebsmittel sind. Lieber im Grünen wohnen wo es ruhig ist und der Boden günstig zu haben ist als in der Stadt, wo der viele Verkehr einfällt am morgen und sich abends die Blechlawinen hinauswälzen. Die Kinder werden hin- und her chauffeurt bis sie selbst einen Führerschein haben und dann drei Autos vor dem Hause stehen. Als Fußgängerin teilt man sich den Gehweg mit den Fahrradfahrern. Rollstühle und Dreiräder kreuzen über die Bürgersteige hin und suchen einen Übergang an den immer unübersichtlicher werdenden Kreuzungen die von Autofahrern für Autofahrer geplant worden sind. Strassenbegleitgrün ist unerwünscht oder höchstens als Werbetafel zu entdecken. Dafür aber Ampeln in immer größerer Zahl und Dichte.

12.000 km pro Jahr sollte ein Fahrzeug im Durchschnitt mindestens fahren, damit die Standkosten nicht überproportional ins Gewicht und die Kosten pro gefahrenem Kilometer unter die 30 Cent fallen. Rund 480 Mrd km legen 4-rädrige Fahrzeuge in Deutschland pro Jahr zurück. Das sind 1 Mio Autos, die täglich die Republik von Norden nach Süden in der gesamten Länge durchkreuzen. Ein Fuhrpark mit einem Gesamtwert von mindesten €600 Mrd wälzt sich über die bundesdeutschen Straßen und will versichert und geputzt sein, regelmäßig gewartet und beizeiten wieder ersetzt. Laufend werden neue Fahrzeuge nachgeliefert, die Rohstoffe abgebaut, recyclt, umgeschmolzen, neu zusammengesetzt, entsorgt und verschrottet, gehandelt und verwertet. Die Fahrzeuge werden nie kleiner, sondern stets größer und schwerer. Ist durchaus nachvollziehbar, denn die Rohstoffmärkte wollen doch auch weiter wachsen. Es steigen die Materialkosten und der Verbrauch wird nicht geringer. Die Anzahl der zurückgelegten Kilometer nimmt zu auch wenn die Emissionen an Stickoxiden und CO² auf dem Prüfstand stehen.

Wir klagen und wettern auf die schlechte Verkehrspolitik, den stockenden Verkehr und die überlasteten Straßen. Wir beklagen die hohen Parkhausgebühren und wenn die Kraftstoffpreise steigen. Aber im Grunde genommen sind die Kraftfahrzeughalter doch auf Kredit unterwegs, versündigen sich tagtäglich an der Natur und dem Klima, verpesten die Luft und nerven als rücksichtslose Zeitgenossinnen mit ihrem Lärm und Gestank, den sie verbreiten wo immer sie sind. Wer kein Auto besitzt oder nur selten davon Gebrauch macht mißbraucht den öffentlichen Raum in weitaus geringerem Maße als jede Mutter, die ihre Kinder zur Schule kutschiert und jeder Vater, der den Einkauf bei Supermarkt und Getränkegroßhandel mit der Karosse erledigt. Und wer dann auch noch mit dem Sportwagen ins Fitnessstudio fahren muss, den dürfen wir doch wohl im besten Sinne als leicht schizophren bezeichnen.

Verkehr ist ein Übel aber kein notwendiges. Wer Straßen säet, wird Verkehr ernten, habe ich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mal gehört. Dass Autofahren Spass macht, will doch niemand bestreiten. Es ist geil, wenn man so richtig auf die Tube drückt und die Musikanlage dröhnt. Der geschützte Raum, die Stunde nach der Arbeit, ganz allein, bevor einem die Kinder wieder auf die Nerven gehen. Auszeit und Privatheit. Abendrot. Freiheit. Unabhängigkeit. Geschwindigkeit. Mobilität eben, die einem so einfach zur Verfügung steht und so verheißungsvoll die Erfüllung seiner Träume verspricht. Wollen wir diese Freiheit wirklich beschneiden?

Und wie steht es um die Freiheit derjenigen, die sich von dem rollenden Verkehr immer mehr eingeschränkt und beschnitten fühlen? Wann ist die Zeit reif für Sammelklagen? Kompensation für den entgangenen Umweltnutzen, für die Überlastung der Natur durch diejenigen, die einfach kein Maß halten können. Wieso weiter mit einer Pendlerpauschale den Verkehr fördern anstatt die Mobilität, aufgrund all ihrer negativen externen Effekte, zusätzlich zu belasten. Sollen doch die Lieferdienste und die Unternehmen deren Mitarbeiter lange Anfahrtswege habe, die Touristen und Freizeitmobilisten zur Kasse gebeten werden. Warum sollte die ganze Gesellschaft und warum sollten vor allem diejenigen, die bereit sind, auf öffentliche Verkehrsmittel, und seien sie noch so unbequem und unzulänglich, umzusteigen, den gleichen Anteil an der Instandhaltung der erforderlichen Infrastruktur beitragen und alle Schäden billigend in Kauf nehmen?

Es wird Zeit für ein Umdenken. Und es wäre sehr zu begrüßen, wenn das Umdenken bald einsetzen könnte, bevor die Lebensqualität in den Ballungsräumen und entlang der großen Verkehrsachsen allzusehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Und wenn wir gerade dabei sind uns unsere Mobilität und den mit ihr einhergehenden Verkehr anzuschauen, dann lasst uns mal einen Schritt weiter denken und uns fragen wie sich das eigentlich verhält mit dem Motorradsport, den Flugreisen und der Sportfliegerei, der Formel I und den Kreuzschifffahrten. Welche Fördermittel und Steuervorteile müssten endlich aufgegeben und welche wahren Kosten den Betrieben angelastet werden und auf die  Reisenden umgelegt? Sollen denn unsere Kinder die Rechnung begleichen? Können wir uns kein schönes Leben auch ohne die ganzen Fernreisen, Spritztouren und Hobbies mehr vorstellen? Oder wollen wir uns den langsamen Verkehr einfach nicht leisten?

 

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