Stillstand

Die Coronakrise bringt den Verkehr zum Erliegen. Airports unter Druck. Tägliche Verkehrsdichte im Vergleich zum Vorjahr um 60% gesunken. Weniger als 20% Flugzeugstarts gegenüber der Zeit vor der Corona-Pandemie. Global statt lokal. Bekämpft sich Corona national. Vielleicht auch mal glokal. Das werden wir noch sehen. Mit Epidemiegesetzen dagegen wirken, wenn die ordentlichen Vollzugsorgane nicht in der Lage sind, den Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen und eine der folgenden Gefahren besteht:

  1. eine erhöhte Ansteckungs- und Ausbreitungsgefahr
  2. eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit
  3. schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft oder auf andere Lebensbereiche
  4. die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht.

Ehemaliger SPD-Abgeordneter Wolfgang Wodarg verharmlost das Virus und attackiert Virologen. Ein pensionierter Lungenarzt, der die gesamte aktuelle Forschung in Frage stellt. Weckt Erinnerungen an den Pneumologen Dieter Köhler,  Inhaber des Patentes für einen Beatmungsschlauch, der den Zusammenhang zwischen Luftverschutzung und Gesundheit nicht recht sehen wollte. Nur mit Medienkompetenz lassen sich Corona-Fake-News bekämpfen. Virologen warnen vor Gefahren und sind verantwortlich für Panik und Angst-Psychosen und dann machen sie „Impfstoffe und wollen die verkaufen und machen Tests und verdienen daran“. Seit Wochen hält das Coronavirus SarsCoV-2 die Welt in Atem. Die Atemwege sind betroffen. Das Virus verbreitet sich in Windeseile über den gesamten Erdball. Ausgehend vom Pangolin, das am meissten geschmuggelte Säugetier der Welt. In Asien gilt sein Fleisch als Delikatesse. Chinesische Forscher vermuten, dass dieses vom Aussterben bedrohte Tier die Ursache für die Verbreitung des Coronavirus wäre. So wie die Flughunde, die für die Übertragung der Ebola verantwortlich gemacht worden sind und vor allem in Palmölpantagen gute Lebensbedingungen finden. Unser Fleischkonsum wird nicht wirklich in Frage gestellt. Chinesische Märkte vielleicht. Aber unsere Schweinehaltung bleibt vorläufig so wie sie ist. Daran wollen wir nur sehr zögerlich etwas ändern.

LostpropertyRestriktion, Einschnitte in die Bewegungsfreiheit, Verbote und Strafen stoßen auf große Akzeptanz neuerdings. Wenn Sicherheit suggeriert wird, ist die Bereitschaft groß, Isolierung in Kauf zu nehmen und Ausgangssperren als Gebot der Stunde anzuerkennen.  Die Nachrichten über das Virus überschlagen sich. Das tägliche Nachrichtenprogramm ist gesichert. Das Thema ist gesetzt. Abstand statt Stillstand. Bewegungsmangel droht. Amazon macht das Geschäft seines Lebens. In Winsen sollen 12 Mitarbeiter*innen des Versandhandels positiv getestet worden sein. Das Werk läuft weiter. 1800 Arbeiter*innen in wechselnden Schichten. An ausreichend Abstand ist nicht zu denken. Den Managern vorgeworfen sie säßen sicher im Homeoffice, während das Fußvolk sich infiziert. Beim Lieferdienst also Hochkonjunktur – kein Stillstand. Wir bestellen jetzt online und brauchen gar nicht mehr auf die Strasse gehen. Future4all. Aber wird der Einzelhandel überhaupt nochmal die Geschäftspforten öffnen? Wer wird noch was an Waren haben, wenn die Schulen wieder öffnen? Was machen wir mit unserem Leben, wenn die Krise überstanden ist? Gehen wir wieder über zur Tagesordnung? Symptomatisch für den Zustand der „kalten Panik“ ist, dass es eine große Sehnsucht und mediale Frage nach Katastrophen gibt. Mag sein, dass die globale Vernetzung fossile Energie frisst und keine Zukunft hat, wenn es nicht zu einer ökologischen Krise kommen soll. Aber einem behutsamen Rückbau wird die Globalisierung nicht ähneln – und das Coronavirus ist dafür weder Anlass noch Konzept. Auch wenn es eine gute Gelegenheit wäre, um mit dem menschen- und planetenfeindlichen Wirtschaften aufzuhören und eine Solidargemeinschaft zwischen Menschen und Natur zu gründen. Soviel Hoffnung ist gegeben.

Was wir aus der Krise lernen? Der Neoliberalismus ist bankrott. Der Nationalstaat kehrt zurück. Die Menschen sehnen sich nach guter Führung und lieben klare Ansagen. Die Gesellschaft tickt sozialdemokratisch: etatistisch, sozial und auf Ausgleich bedacht. Nicht selbst unbedingt verzichten müssen, sondern die Last der Allgemeinheit aufbürden. Den Staat in die Verantwortung ziehen. Die Politiker*innen sollen es gestalten. Und bloss keine Fehler machen. Wir müssen endlich mal nicht mehr zur Arbeit gehen. Müssen zuhause bleiben. Uns ruhig verhalten und nicht im Park mit Freunden chillen gehen. Bis dass einem das Dach auf den Kopf fällt und das Internet zusammenbricht. Die Welt nach Corona soll ökologischer werden. Matthias Horx entwirft eine Welt die gerechter, ungefährlicher, freundlicher und langsamer sein soll.  Nach einer ersten Schockstarre fühlten viele von uns sich sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt kommen durfte. Wir richten unsere Aufmerksamkeit wieder auf die humanen Fragen. TraumwebenGanz so werden es zwar die Krankenpfleger*innen gerade nicht erleben und auch der Einzelhandel, die Selbständigen, die Internetprovider und das Management vieler Unternehmen funkt was das Zeug hält und sucht nach work-arounds und neuen Geschäftsideen, die nicht nur krisentauglich sondern auch noch innovativ und nachhaltig sind. Corona führt uns vor Augen, dass wir in einem globalen Dorf leben, in dem Monrovia und Wuhan, New Orleans und Tiflis miteinander verknüpft sind. Doch die Reaktionen auf die Krise sind engstirnig national, konventionell völkisch. Das hat eine finstere Seite. Jeder stirbt für sich allein. Wir haben der Obrigkeit zu gehorchen. Für Alte und Junge gleichermaßen gilt in Serbien die Ausgangssperre von 17 bis 5 Uhr. Es kommt eine Ahnung auf, was auch in demokratischen Rechtsstaaten binnen kurzer Zeit alles möglich ist, wenn einmal die falschen Leute die Hebel der Macht bzw. die des Rechts in die Hand bekommen.

Wir dürfen in diesem scheinbaren Stillstand die Flüchtlinge nicht vergessen. Die Aufmerksamkeit ging ihnen verloren. Die Grenzen sind geschlossen. Die Lager sind Brennpunkte für die Ausbreitung des Virus. Wenn die ersten sterben wird es sehr spät sein für Aktionspläne. Der Zugang zu medizinischer Versorgung bedarf einer ausgereiften Logistik, erfahrenen Personals und ausreichend finanzieller Mittel. Mal ganz abgesehen von einem geschützten öffentlichen Raum, wo Nothelfer nicht selbst Gefahr laufen, zwischen die Fronten zu geraten und zum Opfer der Eskalation rassistischer Aktionen. Mag sein, dass das Virus uns nachdenken lässt über Sprache und Moral, über Lebensweisen und Gewohnheiten. Die Humusrevolution – Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen. Führergestalten aus Politik und Verwaltung, aus Kirche und Kapital inszenieren sich als messianische Beschützer, während andere Probleme wie die Lage von Geflüchteten in Griechenland, die Situation landloser Bäuerinnen im Sahel und die Bedrohung der Küstenbewohner auf den indonesischen Inseln durch steigende Meeresspiegel unter den Tisch fallen. In Politik, Kultur, an den Universitäten und in den Gemeinden wird heute liebevoller kommuniziert, auf Augenhöhe, mitnehmend und abholend, empathisch ohnehin, zugewandt und menschlich stets von Wertschätzung umkränzt. Der politische Ton muss härter werden.

Neustart Deutschland. Portugal gewährt allen im Land lebenden Ausländern einschließlich Asylbewerbern und denjenigen, deren Visa abgelaufen sind, bis mindestens 1. Juli volle Aufenhaltsrechte. Die Legalisierung sei Pflicht für eine solidarische Regierung. Deutschland hatte zwei Wochen lang verboten, medizinische Güter zu exportieren. Die erste Hilfe für Italien kam aus China. Deutschland, stark und reich, kann sich gut schützen und wirtschaftliche Schäden abfedern.  Und wie wollen wir dann die vielen Milliarden an Schulden zurückzahlen? Ganz einfach! Gar nicht! Die Kredite werden gar nicht getilgt, sondern verlieren an Bedeutung. Sie finanzieren sich selbst, indem sie das Wachstum wieder anschieben. Sollten die Bundesbürger kein Geld bekommen, um zu konsumieren, dann kann die Wirtschaft nicht wieder in Gang kommen. Das gilt auch für andere Mitglieder der europäischen Gemeinschaft. Dass Spanien und Italien so schwer von dem Virus betroffen sind, ist auch eine Folge der Schuldenkrise und weil bei den Gesundheitssystemen gespart wurde. Das rächt sich nun. Wir sollten diese Fehler nicht wiederholen erklärt Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Doch es scheint als gäbe es einen Propagandafeldzug gegen die EU. Die EU-Institutionen spielen in der Coronakrise nur noch eine Nebenrolle. Wieder streiten sich Deutschland und Italien, sperren sich die Niederlande gegen die Absicherung von Krediten der südeuropäischen Nationalstaaten. Im Angesicht des Todes denkt jeder nur an sich.

So sitzen wir zuhause. Manche mehr und manche weniger. In den Niederlanden ist es noch nicht verboten sich in einem Ferienhaus einzuquartieren. In Deutschland ist das dieser Tage nicht unbedingt gestattet und an vielen Orten unter Androhung hoher Strafen verboten. Was machen Schüler*innen, wenn es bei ihnen zuhause noch nicht einmal WLAN und Computer gibt? Was machen Sexarbeitende, wenn die Bordelle schließen? Was machen Obdachlose wenn sie zuhause bleiben sollen? Stillstand mag hoffnungsvoll stimmen – die bürgerliche Welt hat Zeit sich zu besinnen und sich von Predigt bis Expertentalk, Theater und Konzert zuhause berieseln zu lassen. Solange noch nicht gewalttätig aufeinander losgegangen wird und genügend Klopapier gebunkert ist, muss sich der Mittelstand keine Sorgen machen. Aber was wird es mit uns machen? Werden wir zukünftig den Care-Sektor besser finanzieren? Werden die Gehälter in den Pflegeberufen steigen? Werden wir den Autoverkehr in den Städten reduzieren, nicht nur in Italien und Spanien sondern auch in Deutschland. Bleiben die Fluggesellschaften am Boden und steigen Stewardessen auf Lastenräder um? Wir werden sehen, was uns ein paar weitere Tage Stillstand noch an Erleuchtung bringen. Transformationen lassen sich nicht am Zeichentisch entwerfen. Sie finden statt. Und sind voller Überraschungen. Stillstand muss geübt sein. Darin sind wir uns sicher einig. Oder nicht?

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